Franz Braun: Goethe, Schiller und die Zauberei
"Friedrich von Schiller", Millennium Tarot, ASS, 1999
 
Auch Friedrich von Schiller interessierte sich für die Zauberei. Sein Schauspiel "Der Geisterseher" und anderes zeugen davon. Schon in früher Jugend erlebte er eine Zaubervorstellung, die seine Phantasie so anregte, dass er ein Gedicht darüber verfasste.
 
Es lässt sich unschwer erkennen, dass der Vorführende vermutlich ein Mitschüler war, der seine Freunde damit verblüffte, dass er ein Geldstück in seinem Strumpf erscheinen und wieder verschwinden ließ. Was der junge Schiller aus diesem simplen Trick allerdings machte, lässt schon ahnen, dass er zum "Dichten" geboren war.
 
Wie viele Künstler, die mit ihren Werken "ringen" und sie immer wieder überarbeiten, so hat auch Schiller sein Jugendwerk später umgestaltet und daraus sein Epos "Das Lied von der Glocke" gemacht. 
 
 
Die Socke
 
Wie festgemauert in der Erden
steht der Zaub’rer, wie gebannt,
denn es soll ein Kunststück werden,
wie noch nie man ein’s gekannt.

 
Von der Stirne heiß
rinnt ihm schon der Schweiß.
Vor ihm hängt an einem Pflocke
eine unscheinbare Socke,
die er, wenn das Glück ihm hold,
füllen will, und zwar mit Gold.
Und zu diesem edlen Zwecke
nimmt er ein Tuch, dass es bedecke
jene Socke, die noch leer.
Das steigert die Erwartung mehr
.
 
Zum Werke, das wir ernst bereiten,
geziemt sich wohl ein ernstes Wort:
"Abracadabra" soll es heißen,
dann fließt die Arbeit munter fort.
   

 
S
o lasst uns jetzt mit Fleiß betrachten
was diese Zauberkraft uns bringt,
das Volk kann nicht mehr länger warten,
vor Ungeduld es fast zerspringt.

 
Das Tuch, es fällt durch Zauberhand.
Da hängt der Strumpf, voll bis zum Rand.
Das Gold, es glänzt wie gleißend Licht,
das Publikum versteht es nicht.

 
Da Reichtum selbst den bravsten Mann
zieht dann und wann in seinen Bann,
ergreift der Zaub’rer mit Bedacht
das Tuch und leget es ganz sacht
auf die Socke, die von Wert,
damit der Zauber diese leert.
Und plötzlich hängt an jenem Pflocke
nur die schlaffe wollene Socke.

 
Ein Zauberer kann selbst Alltagssachen
für uns unendlich wertvoll machen.

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in memoriam Franz Braun, Köln, † 2016