Am 28. Juni 1914 erschoss ein 19jähriger Serbe in Sarajevo den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Ehefrau. Das führte dazu, dass Österreich am 28. Juli Serbien den Krieg erklärte.
Die bereits bestehenden politischen Spannungen in Europa führten daraufhin im Laufe des Monats August zu einer Anzahl weiterer Kriegserklärungen, die Europa in zwei verfeindete Lager spalteten.
Den "Mittelmächten" (Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei) standen die "Alliierten" (Russland, England, Frankreich, Serbien und Japan) gegenüber. Im Laufe der Zeit kamen dann noch etliche andere Länder hinzu.
Die Spielkartenfabriken nahmen den so entstandenen "Weltkrieg" zum Anlass, Kriegs-Spielkarten herzustellen. So erschien in Altenburg (Thüringen) im Juni 1915 die "Reichs-Spielkarte".
Es handelt sich dabei um ein Skatspiel, bei dem als Könige der deutsche Kaiser Wilhelm II, die Kronprinzen Wilhelm (von Preußen) und Rupprecht (von Bayern) sowie Herzog Albrecht (von Württemberg) abgebildet sind. Die abgebildete Karte stammt aus einem Spiel der Firma Wüst.
Die Damen zeigen die Kaiserin Auguste Victoria und Symbolfiguren für Landwirtschaft, Fürsorge sowie Technik und Wissenschaft. Auf den Buben schließlich befinden sich Generalfeldmarschall von Hindenburg, Admiral von Tirpitz, Graf Zeppelin und Reichskanzler von Bethmann Hollweg.
Etwa gleichzeitig erschien das Spiel "Deutsche Kriegs-Spielkarte" mit deutschen Farbzeichen, bei dem als Könige die gleichen Personen abgebildet sind wie bei der "Reichs-Spielkarte". Die "Ober" entsprechen den Buben, lediglich Graf Zeppelin wurde durch den Oberbefehlshaber der 1. Armee von Kluck ersetzt. Graf Zeppelin ist dafür neben General von Ludendorff, U-Boot-Kommandant von Weddingen und Kriegsminister von Falkenhayn als "Unter" vertreten.
Dieses Spiel zeigt auf den Nebenkarten 6 – 10 außer Orden und Aussprüchen auch Kriegsszenen, die die Überlegenheit der Mittelmächte demonstrieren sollen, etwa "Franzosen u. Belgier am Rhein" (natürlich als Gefangene) oder die berühmte "Dicke Berta", eine 42 cm Haubitze, vor Lüttich.
Diese Spiele erreichten zusammen mit entsprechenden Spielen im Patience- oder Miniatur-Format im Laufe des Krieges eine Gesamtauflage von 1 Million Exemplaren.
Einzelne Personen wurden im Laufe der Jahre allerdings ausgetauscht. So verschwand bei der letzten Auflage selbst Kaiser Wilhelm und wurde durch Prinz Leopold von Bayern ersetzt.
Auch auf den Nebenkarten der Deutschen Kriegs-Spielkarte gab es im Laufe der Zeit mehrfach Änderungen. Die 42 cm Haubitze etwa musste 1918 den inzwischen eingeführten Lebensmittelkarten Platz machen.
1918 kam in Altenburg auch noch die "Deutsche Luftfahrer-Karte" heraus. Bei den Königen handelt es sich dabei um die gleichen Abbildungen wie bei der letzten Ausgabe der Deutschen Kriegs-Spielkarte. Die übrigen Personen (Ober und Unter) dagegen sind Flugpioniere oder Kriegshelden der Luftwaffe.
Auf den Nebenkarten sieht man neben Abzeichen und Orden Szenen aus dem Kriegsgeschehen sowie Sinnsprüche, die sich auf die Luftwaffe beziehen. Beispielsweise ist auf der Eichel-7 ein Bordschütze zu sehen, der mit seinem Maschinengewehr ein feindliches Flugzeug abschießen möchte.
Auch die anderen deutschen Spielkartenhersteller brachten spezielle Kriegs-Spielkarten heraus. Bei der Firma Lattmann in Goslar erschien z. B. die "Deutsche Heereskarte".
Dieses Spiel, auf dem u. a. Soldaten verschiedener Waffengattungen aus den deutschen Königreichen und Fürstentümern abgebildet sind, hat deutsche Farbzeichen.
Die Stralsunder Spielkartenfabriken dagegen druckten die "Deutsche Einheits-Spielkarte", die neben Personen aus Militär und Regierung insbesondere unterschiedliche Kriegsschiffe präsentierte.
Eine Karte zeigt das legendäre Untersee-Boot U 9, das zahlreiche Schiffe der Alliierten versenkte und dessen Kapitän von Weddingen bereits in der Deutschen Kriegs-Spielkarte von Altenburg durch eine Abbildung geehrt wurde.
Auch in Österreich und in Ungarn wurden Kriegsspiele gedruckt, wobei die Abbildungen natürlich in erster Linie die eigenen Erfolge herausstellten.
Bei der nebenstehenden Tarock-4 aus einem Spiel der Wiener Spielkartenfabrik Piatnik werden beispielsweise besonders tapfere österreichische Soldaten mit Orden ausgezeichnet.
Natürlich gerieten Soldaten bei ihren Einsätzen auch schon mal in Gefangenschaft. Hatte man Glück, wurde man "human" behandelt und musste nicht etwa im Bergwerk schuften.
In Gefangenenlagern, die sich an die "Genfer Konventionen" hielten, vertrieb man sich die Zeit mit Sport, Theater spielen oder anderen Beschäftigungen.
So entstanden dort auch mehrere Kartenspiele, die teils recht professionell gezeichnet sind, wie etwa das 1916 entstandene Spiel, das die heimlichen Wünsche von Gefangenen enthüllt.
Bei den Alliierten waren die Spielkartenfabriken selbstverständlich auch nicht untätig. So hatte man in Belgien bereits verschiedene Entwürfe vorbereitet, die aber durch den Einmarsch der Deutschen nicht mehr fertig gestellt werden konnten.
Als die deutschen Truppen dann gegen Kriegsende die Besetzung aufgeben mussten, kamen mehrere Spiele heraus, auf denen die Herrscher und Heerführer der Alliierten abgebildet sind. Die Asse zeigen Kriegsszenen, bei denen sich die alliierten Truppen erfolgreich zur Wehr setzten.
Auf einem anderen belgischen Spiel werden die Spitzen der Mittelmächte karikiert und ihre Misserfolge herausgestellt. Die Ränder der Karten sind mit Aussprüchen und Parolen versehen.
Dieses Spiel gibt es mit flämischen und französischen Texten, damit sich keine der beiden belgischen Bevölkerungsgruppen (Flamen und Wallonen) benachteiligt fühlen konnte.
Selbst in Kanada wurden Kriegs-Spielkarten herausgebracht, die die Herrscherpaare der Alliierten zeigen. Von diesem Spiel gibt es fünf Ausgaben, die sich durch interessante Varianten unterscheiden.
So änderte sich beispielsweise die Anzahl der Fahnen auf der Rückseite durch den Eintritt von Italien von 6 auf 7. Außerdem musste das japanische Herrscherpaar 1916 dem italienischen König Victor Emanuel III und seiner Gattin Platz machen.
Das alles sind nur ein paar Beispiele aus der großen Zahl von Spielen, zu denen noch zahlreiche Quartette, Schwarzer-Peter-Spiele und Ähnliches kommen, hier aber nicht vorgestellt werden können.